`Gesprochene Sprache' und `geschriebene Sprache' werden
auf einer medialen und auf einer konzeptionellen Ebene
unterschieden. Auf der medialen Ebene gibt es für die
`Realisierungsformen' `gesprochen - geschrieben' eine
klare Dichotomie. Eine Äußerung ist entweder im
graphischen Kode `geschrieben' oder im phonischen Kode
`gesprochen'. In medialer Hinsicht gehört die Sprache der
elektronischen Diskussionsforen wie die der gesamten CVK
eindeutig zur Schriftlichkeit. In konzeptioneller
Hinsicht gibt es für die `Kommunikationsmodi' gesprochen
vs. geschrieben dagegen keine Dichotomie, sondern ein
Kontinuum; extreme Mündlichkeit und extreme
Schriftlichkeit bilden die Pole der Skala. Koch und
Oesterreicher haben zur Beschreibung der Charakteristika
von Mündlichkeit und Schriftlichkeit das Gegensatzpaar
``Sprache der Nähe - Sprache der Distanz'' eingeführt.
Demzufolge sind auf der konzeptionellen Ebene
Dialogizität, gemeinsame (außersprachliche) Situation und
große Spontanität und Expressivität in der
Sprachproduktion für die Sprache der Nähe typisch,
während sich die Sprache der Distanz durch Monologizität,
Situationsentbindung, geringe Spontanität und
Expressivität und einen hohen Reflexionsgrad in der
Sprachproduktion auszeichnet. Die Literatur bietet
unterschiedliche, offene Listen der Sprachformen an, die
den genannten Charakteristika der Sprache der Nähe im
Gegensatz zur traditionell beschriebenen Sprache der
Distanz entsprechen
. Systematischer geht Konrad Ehlich
vor, der Schrift als ``Mittel zur Verdauerung des in sich
flüchtigen sprachlichen Grundgeschehens
'' ansieht und
anhand der Beobachtung von fünf ``Feldern'' untersucht,
welche konzeptionellen und formalen Veränderungen bei der
Überführung der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit
eintreten. Im Lenkfeld der Schriftlichkeit haben demnach
Interjektionen keine Daseinsberechtigung mehr
. Im
Zeigfeld verschwindet die gestische Deixis; die
symbolische Deixis wird durch `diskursdeiktische'
Ausdrücke erweitert
. Im operativen Feld wird neben der
Parataxe die Hypotaxe mehr entfaltet, was strukturell zu
einer Explizierung von Temporalität und Kausalität,
formal zu einer stärkeren Frequenz der Subjunktionen
führt
. Im Symbolfeld vergrößert sich der Wortschatz
überhaupt, was mit Hilfe der Benutzung von Wörterbüchern
differenziertere Ausdrucksmöglichkeiten schafft
. Das
Malfeld der Mündlichkeit, in dem Intonation und andere
``paralinguistische'' Zeichensysteme angesiedelt sind,
fällt in der Schriftlichkeit nahezu vollständig weg
.
Jede Äußerung bzw. jeder Äußerungstyp hat seine
individuelle Position auf der Skala zwischen den Polen
`gesprochen' und `geschrieben': Sie wird dadurch
bestimmt, inwieweit die Elemente, von den Ehlich spricht,
vorhanden sind. Der graphische Kode der elektronischen
Diskussionsforen bewirkt, daß elektronische Diskussionen
nicht den Grad an konzeptioneller Mündlichkeit erreichen
können wie Face-to-Face-Gespräche. In den folgenden drei
Kapiteln wird aber durch die Untersuchung von drei
Phänomenen gezeigt, daß der Anteil an Formen der
konzeptionellen Mündlichkeit in den elektronischen
Diskussionen erstaunlich hoch ist. In Kap. 3.2.1 wird
mit den Abtönungspartikeln ein verbales Zeichensystem des
Symbolfeldes untersucht, in Kap. 3.2.1 mit der
Interjektion hm ein vokales Zeichensystem aus Lenk- und
Malfeld und in Kap. 3.2.1 mit der Mimik bzw den
Emoticons ein nonverbales-nonvokales Zeichensystem des
Malfeldes.