Der Computer ist in bezug auf die Reichweite und
Geschwindigkeit seiner Verbreitung in alle Lebensbereiche
ohne Vorläufer in der Mediengeschichte. Das Binärprinzip,
auf dem der Rechner beruht, ermöglicht seine
Anwendbarkeit in den verschiedensten Bereichen. Das Wort
Revolution liegt angesichts des Ausmaßes der Entwicklung
nahe. Es ist m.E. aber hier (wie in vielen anderen
Kontexten, in denen es heute inflationär benutzt wird)
nicht angebracht, weil `Revolution' die Umwälzung
gesellschaftlicher Verhältnisse bedeutet, was im Falle
der Durchdringung des Lebens durch den Computer fraglich
ist, mindestens kontrovers diskutiert werden müßte.
Die erste Stufe der Entwicklung wird durch die lückenlose
Verbreitung von Rechnern auf die Lebensbereiche (Haushalt
und Büro/Firma) markiert. Sie ist in den
industrialisierten Ländern der Nordhalbkugel ideell
abgeschlossen. Obwohl in Deutschland nur 15% aller
Haushalte einen Computer haben (in den USA 35%),
bestreitet doch kaum noch jemand die Nützlichkeit oder
gar Notwendigkeit des Rechners auch im privaten Bereich.
Die zweite Stufe besteht in der Verbindung der isolierten
Rechner durch Computernetzwerke. Diese Entwicklung
schreitet gerade rasant voran. Allein im Winterhalbjahr
1995/96 erhöht sich die Zahl der großen kommerziellen
Computernetzwerke auf dem deutschen Markt von 2 auf 5.
Auf dieser zweiten Stufe vollzieht sich die Sprache der
Internet-Kommunikation. Das Internet ist das größte und
umfassendste Computernetzwerk, sozusagen das `Netz der
Netze' (1.4.1). Entstanden aus der Verbindung
militärischer Forschung mit akademischem Spieltrieb wird
die Bedeutung des Internets für berufliche und private
Kommunikation immer größer. Dabei entsteht eine neue
Sprachform, von der man annehmen sollte, daß sie auf
größtes Interesse der Sprachwissenschaft stößt. Das
Gegenteil ist der Fall. Mit ganz wenigen Ausnahmen
ignoriert die germanistische Sprachwissenschaft den
Bereich der computervermittelten Kommunikation. Obwohl
die moderne Sprachwissenschaft auf rechnerunterstützte
Verfahren nicht verzichtet und auch sonst die meisten der
in Kap. 1.2.1 geschilderten Vorurteile in ihrer
Forschungspraxis nicht erkennen läßt, überläßt sie die
Reflexion eines der wichtigsten Phänomene der Gegenwart
fast vollständig den reinen Sozialwissenschaften.
Hier setzt die vorliegende Untersuchung an. Ich sehe die
Sprachwissenschaft als Bindeglied zwischen Geistes- und
Sozialwissenschaften. Deshalb sollte ein Phänomen wie die
computervermittelte Kommunikation, das Implikationen im
philosophischen, linguistischen, soziologischen,
pädagogischen und sozialpsychologischen Bereich hat,
wichtiges Forschungsgebiet der Sprachwissenschaft sein.
Die vorliegende Arbeit will einen Teil zum Abbau dieses
Defizits beitragen.