fido.ger.kontakt
Re^4: Unkompliziertheit
3 Sat, 15 Jul 1995 16:36:10
4 Lines 64
5 Lars_Rehmke@p32.f4030.n240.z2.fido.sub.org
Lars Rehmke at Honigmund und suesser Fliederduft
7
8
9 Gruezi Gabi,
10
11 LR>> liegt aber vermutlich daran, das ich immer versuche es zu vermeiden
12 LR>> mit naiven Frauen zusammenzukommen da diese mich in wenigen Minuten
13 LR>> auf die Palme bringen.
14 GK> Das ist aber oft auch das, was andere Maenner reizt.
15 GK> Der Beschuetzerinstinkt (und Belehrungsinstinkt) kommt dann durch.
16
17 hmm, das mag wohl stimmen wenngleich ich nicht nachvollziehen kann was an einer
18 solchen Frau interessant sein soll. Je gefestigter die Person mit gegenueber ist
19 umsomehr interessiert sie mich auch und ein naiver Mensch steht ja nun wirklich
20 nicht mit beiden Beinen am Boden. Meistens geht das sogar soweit, dass ich mit
21 etwas eigenwilligen und schwierigen Menschen am besten klar komme.
22
23 LR>> Spass hier zu schreiben. ,-)
24 GK> Mir auch ! :-)
25
26 :-)))
27
28
LR>> Hmm, eigentklich aergere ich ja keine Frauen aber fuer Dich koennte
29 LR>> ich da glatt mal eine Ausnahme machen. ;-)
30 GK> Dann waerst Du der erste Mann, der nicht gerne Frauen aergert. :-))
31
32 Ich wuerde das eher als kleine Sticheleien bezeichnen, wenn ich aergere sieht
33 das ganz anders aus. ;-)
34
35 LR>>>> aber da werden wir dich vieleicht ja auch nochmal belehren koennen.
36 ;->>>>
37 GK>>> Ich liebe Belehrungen von Maennern an mich dummes Frauchen ! ;-)))
38 LR>> Ich mag aber gar keine dummen Frauchen aber Frauen die Behaupten dumm
39 LR>> zu sein sind es ja meist gerade nicht, also schreib ich Dir weiter.
40 LR>> Aber an den Belehrungen werde ich trotzdem arbeiten.;-)
41 GK> Na dann aber mal los !! :-)
42
43 Einen Moment musst Du ja nun noch warten, Du musst mir ja erstmal den
44 Ansatzpunkt dafuer bieten. Der kommt aber bestimmt mit der Zeit. ;-)
45
46 LR>> ja mit dem Champignon erher... ;->
47 GK> :-)))))))
48
49 Das andere hab ich lieber geloescht, sonst kriegen wir hier noch Aerger wegen
50 unsitlicher Aeusserungen. ;-)
51
52 LR>> Na dann sind wir uns ja einig und das schoenste wir sind beide damit
53 LR>> zufrieden wie es ist. :-)
54 GK> Genau. Und zum Glueck wohl nicht nur wir.
55
56 Das hoffe ich zumindest sonst wuerde das mit der Zeit ja doch noch langweilig
57 werden. ;-)
58
59 GK>>> Umgekehrt ist es genauso.
60 LR>> Wird aber selten von einer Seite zugegeben.
61 GK> Wie leider so vieles.
62 GK> Viele reden den anderen nach dem Mund und denken in Wirklichkeit ganz
63 GK> anders. Dann ist Ehrlichkeit gefragt.
64 ^^^^^^^^^^^
65 Da liegt wohl leider auch das Hauptproblem scheint irgendwie nicht mehr so
66 richtig Inn zu sein. :-(
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68
69 Tschoe
70
71 Lars!
Im Beispiel liegt ein Gespräch von Lars Rehmke (LR) und Gabi K. (GK) zum Thema ``Unkompliziertheit'' vor, das man als `Plauderei' bezeichnen kann (ASS 21). Ein Zweck wird explizit nicht vorgetragen. Verfahrensanalytisch ist hier zu konstatieren, daß die Tatsache, daß das Gespräch innerhalb eines Diskussionsforums zum Knüpfen und Pflegen von Netzkontakten stattfindet, als impliziten Zweck besseres Kennenlernen nahelegt. Vielleicht prüfen die Gesprächspartner durch die Plauderei ihr Verhältnis auch daraufhin, ob es im wirklichen Leben Freundschaft erlauben würde. Auf jeden Fall kann man davon ausgehen, daß der Beziehungsaspekt - explizit oder implizit - eine große Rolle spielen wird. Daß sich LR und GK aus dem wirklichen Leben kennen, scheint unwahrscheinlich. Die Direktionalität des vorliegenden Zweiergesprächs ist eigentlich eindeutig. Es wird keine Kommunikationsachse zusätzlich zur bestehenden zwischen LR und GK aufgebaut. Auf der anderen Seite findet das Gespräch in einem öffentlichen Diskussionsforum statt und ist deshalb offen für Interventionen dritter Personen. Hätten solche Interventionen von vornherein ausgeschlossen werden sollen, hätten GK und LR ihre Plauderei als privaten elektronischen Briefwechsel durchführen können (in Z. 5 befindet sich schließlich die dazu notwendige E-mail- Adresse). Daß das nicht geschieht, zeigt, daß die Öffentlichkeit des Gesprächs gewollt ist. Neben der Direktionalität steht auch die Validität im Gespräch nicht zur Disposition. Scheinbare Verstöße gegen die Normen des Gesprächstyps `Plauderei' werden durch nonverbale Mittel (Emoticons) als scherzhaft herausgestellt und sind überdies auf der Beziehungsebene abgesichert.
Der Artikel ist in seiner vorliegenden Form von LR
gepostet worden (Z. 5/6). In Z. 2 ist mit Re^4
(reply 4)
ausgewiesen, daß es sich um den fünften Beitrag zum Thema
handelt. Das Gespräch ist also fünfschrittig, darüber
darf die hohe Zeilenzahl nicht hinwegtäuschen. Die
Gesprächskonstitution spielt sich nur innerhalb von
sieben mehrgliedrigen Sequenzen ab, nicht zwischen ihnen.
Der zeitlich erste Beitrag stammt von LR und beschränkt
sich in der vorliegenden Form auf Z. 36 (gekennzeichnet
durch die vierfache Quotierung am Zeilenanfang:
``LR>>>>
''). Der zweite Beitrag, von GK, besteht aus den
Zeilen 37 und 59 (``GK>>>
''). Der dritte Beitrag, wieder
von LR, umfaßt die Zeilen 11-13, 23, 28/29, 38-40, 46,
52/53 und 60 (``LR>>
''). Der vierte Beitrag, derjenige von
GK, auf den LR mit dem vorliegenden fünften Beitrag
unmittelbar reagiert, erstreckt sich über die Zeilen
14/15, 24, 30, 41, 47, 54 und 61/62 (``GK>
''). Die Zeilen
9, 17-21, 26, 32/33, 43/44, 49/50, 56/57 und 64-71
stellen den aktuellen Beitrag dar, der am 15. Juli (Z. 3)
gepostet worden ist. Die unterschiedliche Länge der
Beiträge erklärt sich daraus, daß der jeweilige
Textproduzent nur das zitiert, was für seinen Beitrag
relevant ist. Zwar werden die Quotierungszeichen (``>
'')
automatisch vom Schreibprogramm gesetzt. Es liegt jedoch
in der Freiheit des Produzenten, Zeilen, auf die er nicht
reagiert, manuell zu löschen. Alles, was keine Reaktion
in einem zeitlich späteren Beitrag ausgelöst hat und die
Kohärenz des Gesprächs stören würde, ist hier
verschwunden.
Bedingt durch das Medium gibt es kein Sprecherwechselsystem wie im mündlichen Gespräch. Die Asynchronität der Kommunikation hat zur Folge, daß beim Produzieren eines Gesprächsbeitrags kein direktes Rückmeldeverhalten des Partners berücksichtigt wird. Aus der Sicht des aktuell nicht Produzierenden erfolgt stets Fremdzuweisung des Rederechts - durch das Posten des Artikels und damit seiner Freigabe für Reaktionen.
Das Gespräch ist äußerlich dreigeteilt; man kann jedoch nicht von einer Eröffnungs-, Kern- und Beendigungsphase im Sinne von Brinker und Sager sprechen. Für Eröffnungs- und Beendigungsphasen sind bestimmte Paarsequenzen konstitutiv, während hier lediglich eine unbestätigte Begrüßungsformel in Z:9 und eine unbestätigte Abschiedsformel in Z. 69-71 vorliegen. Diese Formeln können als Teil des aktuellen Beitrags von LR nicht anders als unbestätigt sein. Sie rahmen das Gespräch lediglich auf der Layout-Ebene ein. Auch der für Gespräche konstitutive ``Übergangsschritt'' von der Eröffnungs- zur Kernphase findet hier nicht statt, und zwar schon deshalb nicht, weil die Begrüßungsformel in Z. 9 zwei Gesprächsschritte später als der eigentliche, doppelt quotierte Textanfang erfolgt. Der besteht hier zusätzlich in einem aus dem Zusammenhang gerissenen Satzfragment, ist also in Harwegs Terminologie lediglich etisch (Z. 11-13). In Netzgesprächen gibt es aber sehr wohl echte Eröffnungsrituale. Ein Beispiel ist a028:
:Liebe Leute,
Hi!
Holger Bruns (HB
) richtet seinen Gruß ``Liebe Leute
''
zwangsläufig an die gesamte Netzöffentlichkeit. Matthias
Goebl (MG
) richtet den Gegengruß aber individuell an HB
und drückt damit eine ``Zugänglichkeitsbekundung'' im Sinne
Hollys aus. Zugänglichkeitsbekundungen gehören zu den
elementaren Bestätigungen. Durch den Höflichkeitsbeweis
versichern sich die Partner ihrer gegenseitigen Achtung.
HB
äußert durch seine Begrüßung Achtung zwar nicht einem
Individuum, aber der Netzöffentlichkeit gegenüber, auf
deren Meinung zu seinen Ausführungen er Wert legt. MG
drückt mit der Bestätigung der Begrüßung durch seinen
eigenen Gruß aus, daß er HB
achtet. (Diese Achtung setzt
sich auch in der Kernphase fort, in der er zwei weitere
explizite Bestätigungen - Richtig!..., Find ich gut. -
äußert.) Eine Beendigungsphase in Form einer elementaren
Danksequenz findet sich in a144:
: Danke im Voraus.
Bitte
Zurück zum Beispiel a005. Dialogizität existiert hier innerhalb der sieben mehrgliedrigen Sequenzen des eigentlichen Gesprächs. Weil verfahrenstechnisch kein Zusammenhang zwischen den Sequenzen besteht - z.B. ist Z. 23 früher geschrieben als Z. 21; Z. 23 kann sich also in keiner Weise auf das Resümee der Sequenz I (Z. 11-21) beziehen - kann man weder von einer Kernphase, noch von Makrostrukturen im Sinne von Brinker und Sager sprechen. Eine Verknüpfung der Sequenzen erfolgt jedoch auf der thematischen Ebene. Jeder Sequenz ist ein bestimmtes Thema zugeordnet. Nun kann zwar im zweiten oder dritten Beitrag nicht auf ein in diesem Thema ausgehandeltes Sinnkonstrukt zurückgegriffen werden. Der zweite Beitrag kann bestenfalls eine Ratifizierung des ersten Beitrags, der dritte Beitrag maximal eine Konsolidierung des im ersten und zweiten Beitrag ausgehandelten Sinnes sein - eine rückwirkende Bezugnahme auf die Konsolidierung ist also ab dem vierten Beitrag überhaupt erst möglich. Auf das Thema als solches beziehen sich die Partner aber dadurch, daß sie ein zu einer Sequenz gehöriges Thema nicht in derselben Weise in einer anderen Sequenz behandeln bzw., daß sich eher inhaltsbezogene Sequenzen (I, III, VII) mit eher beziehungsbezogenen (II, IV, V, VI) abwechseln.
Im einzelnen:
Sequenz I (Z. 11-21) ist dreigliedrig:
11 LR>> liegt aber vermutlich daran, das ich immer versuche es zu vermeiden
12 LR>> mit naiven Frauen zusammenzukommen da diese mich in wenigen Minuten
13 LR>> auf die Palme bringen.
14 GK> Das ist aber oft auch das, was andere Maenner reizt.
15 GK> Der Beschuetzerinstinkt (und Belehrungsinstinkt) kommt dann durch.
16
17 hmm, das mag wohl stimmen wenngleich ich nicht nachvollziehen kann was an einer
18 solchen Frau interessant sein soll. Je gefestigter die Person mit gegenueber ist
19 umsomehr interessiert sie mich auch und ein naiver Mensch steht ja nun wirklich
20 nicht mit beiden Beinen am Boden. Meistens geht das sogar soweit, dass ich mit
21 etwas eigenwilligen und schwierigen Menschen am besten klar komme.
Die Gesprächspartner reden über die Ausstrahlung naiver Frauen, über ein Thema, dessen Beziehung zum Gesamtthema ``Unkompliziertheit'' schon nicht ohne weiteres herzustellen ist. Zunächst der Zugriff auf die thematische Ebene: LR äußert in Z. 11-13 seine Meinung - `naive Frauen regen mich auf' - und führt damit einen assertiven Gesprächsschritt aus. GK reagiert in Z. 14/15 darauf mit einem ebenfalls assertiven Schritt, der thematisch teilresponsiv ist: GK akzeptiert eine im Satzfragment nicht vorliegende, aber als `naive Frauen sind hilflos' rekonstruierbare Proposition LRs, zieht aber daraus eine andere Schlußfolgerung als LR: `Männer mögen naive Frauen'. LR reagiert darauf wiederum teilresponsiv. Er akzeptiert diese Aussage in einem generellen Sinn - hmm, das mag wohl stimmen (Z. 17) - , weist sie aber für seine eigene Person zurück. - wenngleich ich ... (Z. 17). Auf der Beziehungsebene spielt sich dagegen folgendes ab: LR zeigt dadurch, daß er GK gegenüber `naive Frauen regen mich auf' äußert, implizit, daß er GK nicht für naiv hält. Damit drückt er eine implizite Partnerbestätigung aus. GK reagiert darauf aber nicht erkennbar responsiv, sondern beschränkt sich in ihrer Äußerung wie beschrieben auf die thematische Ebene. Das wiederum veranlaßt LR zu einem nachdenklichen Hmm, das eine ausgesprochen thematische Äußerung einleitet. Hmm ist bifunktional: Inhaltsbezogen ist es Signal nachdenklicher Divergenz, beziehungsbezogen Signal von Ratlosigkeit LRs. LRs Reaktion drückt aus, daß die Beziehung am Ende von Sequenz I unklar ist. Nach Holly muß der Beziehungsaspekt in einer solchen Situation thematisiert werden, um ``eine Atmosphäre von wechselseitigem Respekt und jeweiliger Selbstachtung zu erhalten''. Die grammatikalische Verknüpfung der Gesprächsschritte geschieht in Form der expliziten Wiederaufnahme durch die Proform das (Z. 14, Z. 17), in der der vorhergehende Schritt zusammengefaßt wird.
Sequenz II (Z. 23-26) erfüllt in gewisser Weise das Bedürfnis nach Klärung der Beziehung:
23 LR>> Spass hier zu schreiben. ,-)
24 GK> Mir auch!:-)
25
26 :-)))
Wie bereits ausgeführt kann Z. 23 keine Reaktion auf Z.
21 sein. Die hier vorliegende Partnerbestätigungsrunde
erfüllt jedoch das durch Diskussion eines problematischen
Themas angelegte Bedürfnis nach Klärung: Die Beziehung
wird als für beide Partner befriedigend bestätigt. Die
Tatsache, daß in jeder Äußerung ein Emoticon vorkommt, Z.
26 sogar rein nonverbal ist, untermauert die besondere
Bedeutung dieser Partnerbestätigungsrunde für die
Interaktion. Und Z. 26 ist dann schließlich doch als
direkte Auflösung der in den Z. 17-21 geäußerten
Ratlosigkeit LRs in volle Zufriedenheit zu bewerten (die
Aussagekraft des Smileys ist durch die Verdreifachung des
dritten Teils des Glückssymbols :-)))
nonverbal
verstärkt).
In Sequenz III (Z. 28-33) wird mit dem Thema `Frauen ärgern' die Beziehung von LR und GK wieder aus der Explizitheit verdrängt:
28 LR>> Hmm, eigentklich aergere ich ja keine Frauen aber fuer Dich koennte
29 LR>> ich da glatt mal eine Ausnahme machen. ;-)
30 GK> Dann waerst Du der erste Mann, der nicht gerne Frauen aergert. :-))
31
32 Ich wuerde das eher als kleine Sticheleien bezeichnen, wenn ich aergere sieht
33 das ganz anders aus. ;-)
Während in Sequenz I aber nur LR durch Selbstreferenz
imagebezogen argumentiert hat (ich in Z. 11, Z. 17, Z.
20; mich in Z. 12, Z. 19; mir in Z. 18), wird in Sequenz
III das Thema ganz an die Beziehung angebunden. LR führt
in seiner ersten Äußerung Selbst- (ich, Z. 28/29) und
Partnerreferenz (Dich, Z. 28) durch. Sein
Gesprächsschritt stellt dabei eine Provokation von GK
dar, die zwar durch das Ironiesymbol ;-)
(Z. 29) als
scherzhaft relativiert wird. Der Schritt hat dennoch
starke initiative Kraft. GKs Reaktion ist mehrschichtig.
Thematisch ist sie nonresponsiv: Sie weist LRs
Selbstdarstellung eigentklich aergere ich ja keine Frauen
(Z. 28) durch die Generalisierung `alle Männer ärgern
gerne Frauen' zurück. Auf der Beziehungsebene ist sie
teilresponsiv. Sie akzeptiert die Provokation ohne
Protest; statt aber direkt zu ihr Stellung zu beziehen,
provoziert sie LR ihrerseits. Im nonverbalen Bereich
reagiert sie jedoch vollkommen responsiv. Dem
Ironiesymbol LRs begegnet sie mit dem verdoppelten
Glückssymbol :-))
(Z. 30). LR antwortet im dritten
Schritt verbal nonresponsiv. Er lehnt thematisch die
Generalisierung GKs als für ihn unzutreffend ab und
scheint auch die beziehungsbezogene Provokation
zurückzuweisen. Die verbale Zurückweisung wird aber
ihrerseits durch das nonverbale Ironiesymbol (Z. 33)
unterlaufen. Verfahrensanalytisch ist festzuhalten, daß
die Gesprächspartner den Status ihrer Beziehung durch ein
komplexes System initiierender und in verschiedenen
Graden responsiver Sprechakte bewußt in der Schwebe
halten.
Sequenz IV (Z. 35-44) ist fünfgliedrig und damit die längste Sequenz des Gesprächs:
35 LR>>>> aber da werden wir dich vieleicht ja auch nochmal belehren koennen.
36 ;->>>>
37 GK>>> Ich liebe Belehrungen von Maennern an mich dummes Frauchen ! ;-)))
38 LR>> Ich mag aber gar keine dummen Frauchen aber Frauen die Behaupten dumm
39 LR>> zu sein sind es ja meist gerade nicht, also schreib ich Dir weiter.
40 LR>> Aber an den Belehrungen werde ich trotzdem arbeiten.;-)
41 GK> Na dann aber mal los !! :-)
42
43 Einen Moment musst Du ja nun noch warten, Du musst mir ja erstmal den
44 Ansatzpunkt dafuer bieten. Der kommt aber bestimmt mit der Zeit. ;-)
Die Sequenz ist auf scherzhaft-provozierende Weise
beziehungsbezogen. Wie in Sequenz III wird jeder verbale
Beitrag mit einem nonverbalen Emoticon unterstützt, in
den Äußerungen liegt jeweils Selbst- oder Partnerreferenz
vor. Die Tatsache, daß LR in Z. 35, die der einzige Rest
des ersten Beitrags ist (``>>>>
''), einen provozierenden
Sprechakt äußert, belegt, daß das Gespräch von Anfang an
beziehungsbezogen und nicht thematisch intendiert war und
sich nicht etwa erst im Verlaufe der Interaktion dahin
entwickelt hat. Verfahrensanalytisch erlaubt das eine
Neudeutung der Sequenzen I und III, deren thematische
Schwerpunkte offenbar v.a. Vorwandfunktion für implizit
beziehungsbezogene Äußerungen haben. Die Bedeutung von
LRs Provokation läßt sich mit `LR will GK belehren'
angeben. GK reagiert responsiv und ihrerseits
initiierend: Sie ratifiziert LRs scherzhafte Provokation
und ermuntert LR zum Fortfahren: `Die dumme GK liebt
Belehrungen von Männern' (Z. 37; die Scherzhaftigkeit
ihrer eigenen Äußerung zeigt das verdreifachte
Ironiesymbol ;-)))
). LR antwortet dreistufig. Zunächst
verweigert er die Konsolidierung des in Z. 35-37
entstandenen Sinnkonstrukts mit dem Inhalt `LR belehrt
GK' durch die Äußerung von `LR mag keine dummen Frauen'
(Z. 38). Dann weist er einen Widerspruch in GKs Äußerung
nach - Frauen die Behaupten dumm zu sein sind es meist ja
gerade nicht (Z. 38/39) - , was thematisch nonresponsiv
wirkt; weil dieser Nachweis aber auf der Beziehungsebene
eine Partnerbestätigung bedeutet, ist LRs Reaktion an
dieser Stelle implizit bereits responsiv (Z. 38/39).
Durch den Satz also schreib ich Dir weiter (Z. 39) wird
die Responsivität explizit. Und Z. 40 bringt dann doch
die Konsolidierung des ausgehandelten Sinnkonstrukts `LR
belehrt GK'. GK fordert im vierten Schritt in Z. 41 die
Durchführung des Inhalts des Sinnkonstrukts in einem
direktiven Sprechakt. Daß LR dieser Forderung unter
Verweis auf ungünstige Umstände im fünften Schritt nicht
nachkommt, gehört zur Verzögerungstaktik, zum ``in der
Schwebe halten'', von dem in der Untersuchung von Sequenz
III bereits die Rede war.
Sequenz V (Z. 46-50) stellt den Abschluß dieser Verzögerungstaktik dar:
46 LR>> ja mit dem Champignon erher... ;->
47 GK> :-)))))))
48
49 Das andere hab ich lieber geloescht, sonst kriegen wir hier noch Aerger wegen
50 unsitlicher Aeusserungen. ;-)
LR äußert in Z. 46 eine erotische Anspielung, die zwar nicht mehr zu rekonstruieren ist, deren Deutlichkeit aber im siebenfachen Glückssymbol (Z. 47) von GK nonverbal und durch die Begründung der Teillöschung der Anspielung mit implizitem Verweis auf die Netiquette von LR verbal nachgewiesen wird. An dieser Stelle ist das Gespräch verfahrensanalytisch eindeutig als erotisch intendiert aufzufassen. Der in Sequenz V vorliegende Höhepunkt des Beziehungsgesprächs ist folgendermaßen strukturiert:
Eine grammatische Verknüpfung von erstem und zweitem
Gesprächsschritt liegt nicht vor. Die Verknüpfung erfolgt
implizit dadurch, daß sich GK mit :-)))))))
im Kontext
nur auf die Anspielung aus Z. 46 beziehen kann.
Sequenz VI (Z. 52-57) ist eine Partnerbestätigungsrunde:
52 LR>> Na dann sind wir uns ja einig und das schoenste wir sind beide damit
53 LR>> zufrieden wie es ist. :-)
54 GK> Genau. Und zum Glueck wohl nicht nur wir.
55
56 Das hoffe ich zumindest sonst wuerde das mit der Zeit ja doch noch langweilig
57 werden. ;-)
Es muß an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen
werden, daß die Zufriedenheitsbekundung in Z. 52/53
verfahrenstechnisch keine Ratifizierung von Z. 47 sein
kann. Z. 52/53 haben, da sie als Teil des dritten
Beitrags (``LR>>
'') erfolgen, nachweisbar
Selbstbestätigungsfunktion: Sie werden von LR im Anschluß
an seine erotischen Anspielung in Z. 46 geäußert. Dennoch
hat Sequenz VI Konsolidierungscharakter in bezug auf das
Gesamtgespräch und seinen erotischen Sinn. Die
Partnerbestätigungsrunde Z. 52-54 zeigt das durch den
Gebrauch des wir von LR (Z. 52) und GK (Z. 54), außerdem
durch die Verwendung des bestätigenden Hörersignals Genau
(Z. 54) zur Verknüpfung der beiden Gesprächsschritte. Daß
die Gesprächspartner Zufriedenheit aber nicht nur bei
sich, sondern in der gesamten Netzöffentlichkeit, die
dieses Gespräch verfolgt, vermuten, drückt sich in GKs
nicht nur wir (Z. 54) aus. Darauf reagiert LR
teilresponsiv, indem er die Hoffnung äußert, daß GK Recht
hat (Z. 56). Mit seiner ironischen Bemerkung sonst wuerde
das mit der Zeit doch noch langweilig werden. ;-)
(Z.
56/57) spielt LR abschließend erneut auf den erotischen
Sinn des Gesprächs an.
Die Schlußsequenz VII (Z. 59-66) ist thematisch ausgerichtet:
59 GK>>> Umgekehrt ist es genauso.
60 LR>> Wird aber selten von einer Seite zugegeben.
61 GK> Wie leider so vieles.
62 GK> Viele reden den anderen nach dem Mund und denken in Wirklichkeit ganz
63 GK> anders. Dann ist Ehrlichkeit gefragt.
64 ^^^^^^^^^^^
65 Da liegt wohl leider auch das Hauptproblem scheint irgendwie nicht mehr so
66 richtig Inn zu sein. :-(
Es besteht ein deutlicher Bruch zu Sequenz VI. Das Thema
Ehrlichkeit wird ohne grammatische Referenz auf die
Gesprächspartner diskutiert. Stattdessen werden
unpersönliche Formen wie Passiv (Z. 60, Z. 63) und Sätze
mit es (Z. 59) und viele (Z. 62) an der Subjektstelle
verwendet. Diese Formen betonen die Inhaltsbezogenheit
der Kommunikation. Die Beziehungsebene tritt in die
Implizitheit zurück. Auch an dieser Stelle wird keine
neue Kommunikationsachse mit der Netzöffentlichkeit
aufgebaut. Aber der unpersönliche Stil deutet darauf hin,
daß das hier fast unidirektional geäußerte Plädoyer für
Ehrlichkeit eben doch an die Netzöffentlichkeit gerichtet
ist. Auffällig ist die Verknüpfung von drittem und
viertem Gesprächsschritt, zwischen Z. 63 und Z. 65. LR
setzt mit der Unterstreichung (``^^^^^^^^^^
'', Z. 64) von
Ehrlichkeit eines der wenigen typographischen Mittel ein,
die der ASCII-Zeichensatz zuläßt. LR markiert also ein
Element aus GKs Äußerung (Z. 63) und bezieht sich dann
mit da (Z. 65) deiktisch darauf.