Wilhelm Franke spricht von Mediendialogen als von einer
``problematischen Kategorie''. Franke intendiert zwar
herkömmliche Printmedien und elektronische Massenmedien
wie Rundfunk und Fernsehen. Wegen der Art und der
Reichweite ihrer Verbreitung muß man aber auch die
dialogischen Forenartikel als Mediendialoge betrachten.
Franke kritisiert, daß bei Analysen von über Massenmedien
verbreiteten Dialogen die medialen Unterschiede von der
Face-to-Face-Kommunikation immer wieder übersehen bzw.
die Medien lediglich als Kanal im Sinne des
nachrichtentechnischen Kommunikationsmodells beurteilt
werden. Er spricht damit das Problem der `fingierten
Dialogizität' an. Fingierte Dialoge finden sich v.a. in
Dramentexten, Drehbüchern und sonstigen literarischen
Formen. Die französische Tradition trennt die fingierte
Dialogizität von der spontanen terminologisch klar, indem
sie die fingierte Dialogizität als ``dialogue'', die
spontane als ``conversation'' bezeichnet
.
Die Grenze
zwischen `Dialog' und `Konversation' ist trotz aller
möglichen ``effets d'oralit'e
'' im `Dialog' klar. Der
`Dialog' hat nur einen Autor
und ist somit
unidirektional. Deshalb ist auch der Mediendialog i.d.R.
ein `Dialog'. Er ist unidirektional an eine anonyme
Öffentlichkeit gerichtet, die nicht die Möglichkeit der
Reaktion hat (Franke nennt als Beispiel für solche
Artefakte Beratungsdialoge in Rundfunk und Fernsehen)
.
Diese Beschreibung trifft aber nicht auf Gespräche in den
elektronischen Diskussionsforen zu. Die Öffentlichkeit,
an die die Artikel gerichtet sind, ist zwar anonym, aber
weder sind die Gespräche unidirektional, noch fehlt der
Öffentlichkeit die Reaktionsmöglichkeit. Die
Netzgespräche weisen auch in ihrer einfachsten Form als
Paarsequenzen den ``Perspektivenwechsel'' auf, den Opitz
als Grundbedingung für Dialogizität nennt
. Viele haben
auch eine komplexere Struktur und v.a. sind sie offen für
eine Weiterführung durch Mitglieder der
Netzöffentlichkeit. Daß die Netzdialoge nicht synchron
stattfinden, beraubt sie nicht ihrer Dialogizität. Rolf
vertritt in seinen Überlegungen zum möglichen Textstatus
von Gesprächen die Meinung, daß der zeitliche
Gesichtspunkt für eine bestimmte Einordnung keine Rolle
spielt. Selbst monologische Textsorten (z.B. Vorlesungen)
können ``mehr als eine[n] Konstitutionszeitpunkt
'' haben.
Entscheidend für die Einstufung, sei es als Text, sei es
als Dialog, ist das Kriterium vorhandener oder nicht
vorhandener Unidirektionalität. Daß selbst die
Aushandlungspraxis der Gesprächspartner im gemeinsamen
Hervorbringen, Sichern und Wiederherstellen von Sinn
in
den Artikeln trotz zeitlicher Asynchronität nachweisbar
ist, zeigt die exemplarische Untersuchung eines
Netzgeprächs in Kap. 3.2.2.