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Forschungsgeschichte

 

Die Erforschung von Form und Funktion computervermittelter Kommunikation (CVK) hat in den Geistes- und Sozialwissenschaften noch keine lange Tradition - in der Sprachwissenschaft hat sie noch überhaupt keine. Vielleicht weil das Englische die dominierende (und in der Anfangszeit des Internets sogar die einzige) Netzsprache ist, ist erst in diesem Jahr mit Bernd Naumanns Mailbox Chats: Dialogues in Electronic Communication innerhalb eines Sammelbandes mit Beiträgen zur Dialogforschung die erste explizit linguistische Stellungnahme zum Thema erfolgt - bezeichnenderweise auf Englisch und in einer Art, der man die Hektik ihrer Entstehung anmerktgif. Sehr gute und profunde Abhandlungen von Rüdiger Weingarten zum Thema Computer und Sprache befassen sich mit Datenbanken, elektronischer anstelle von papierner Schriftlichkeit und den Auswirkungen des Computers auf Informations- und Kommunikationsbegriffgif. Die Netzwerkkommunikation kommt aber nicht ausdrücklich vor. Auch der Sonderforschungsbereich ``Übergänge und Spannungsfelder zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit'' der Universität Freiburg i.Br. kümmert sich offenbar nicht um die neue Schriftlichkeit der Internet-Kommunikationgif. Anders ist die Lage in den Sozialwissenschaften, die vermeintlichen `Modeerscheinungen' immer schon aufgeschlossener gegenüberstanden. Hier sind besonders drei Arbeiten aus der Sozialpsychologie zu nennen, die gesellschaftliche Bedingungen, Organisation und Konsequenzen der CVK ausführlich beschreiben und auf die deshalb in der vorliegenden Untersuchung immer wieder rekurriert wird: Computer-vermittelte Kommunikation...von Jan Pelz und Jörg Rade, Gruppenarbeit via Computer...von Jan Pelz (beide entstanden an der Universität Göttingen) und Datenreisende. Die Kultur der Computernetze von einem Autorenkollektiv um Thomas A. Wetzstein an der Universität Triergif. Diese Untersuchungen sind sozialwissenschaftlich erschöpfend; sprachwissenschaftliche Beobachtungen jedoch sind (naturgemäß) marginal.

Quantitativ sieht die Lage im angloamerikanischen Raum, besonders in den USA, anders aus. Dadurch, daß Computernetzwerke dort viel früher viel weiter verbreitet waren als in Deutschland, haben die dortigen Untersuchungen inzwischen auch einen viel größeren Spezialisierungsgrad erreichtgif. Zwei Arbeiten stellen Thesen für die englische Netzkommunikation auf, die meinen Thesen für die deutsche sehr ähneln: Collots Electronic Language. A Pilot Study of a New Variety of English untersucht die Möglichkeit einer neuen sprachliche Varietät an den elektronischen Diskussionsforen und kommt mit gewissen Einschränkungen zu einem Ergebnis im Sinne seiner These: ``Nevertheless, this study has identified a new variety of English which is clearly different from other varietiesgif.'' John Decembers Aufsatz Characteristics of Oral Culture in Discourse on the Netgif zeigt ebenfalls an hauptsächlich elektronischen Diskussionsforen entnommenen Beispielen, daß es in der Internet-Kommunikation eine ``text-based oralitygif'' gibt, d.h., daß Charakteristika der Mündlichkeit im graphischen Netzkode vorhanden sind. Insgesamt sind aber auch die englischsprachigen Untersuchungen bislang nicht befriedigend. I.d.R. handelt es sich entweder um sehr kurze Artikel, in denen interessante Überlegungen nur referiert und überhaupt nicht belegt werdengif, oder aber die Begründung beschränkt sich auf eine rein quantitative Analyse (Auszählung von Elementen)gif , bei der sowohl theoretische Fundierung als auch Interpretation zu kurz kommen.


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rabas000@goofy.zdv.uni-mainz.de